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Zwischen zwei Welten

Die Worte schon oft gehört, aber nie zugehört oder verstanden. Jetzt weiß ich plötzlich, was das heißt. Ich schlafe gestern ein und weiß nicht, was ich denken soll. Ich wache auf und verstehe nicht, warum ein gepackter Koffer auf mich wartet. Ich steige in den Bus zum Flughafen und habe das Gefühl „eh gleich wieder zurückzukommen“. Ich betrete den Flughafen und die Schilder haben keine Bedeutung für mich, ich folge nur leeren Anweisungen. Ich verabschiede mich von Jule, Sophia und Chavo und nichts passiert. Ich sitze im Flugzeug und realisiere nicht, wohin ich fliege.

Ich lande in Bogota, einem fremden Land, einem fremden Flughafen und begegne fremden Personen. Plötzlich habe ich ein Gefühl. Das Gefühl nicht zuhause zu sein. Ich hätte ehrlich gesagt, so etwas von mir nicht erwartet. Ich dachte so „ach Quatsch, da machen wir kein großes Drama draus, da verabschiede ich mich von allen, steige ins Flugzeug, sehe meine Familie und meine Heimat wieder und irgendwann komme ich schon zurück“. Ja. Pustekuchen.

Die Wahrheit ist, dass ich erst 5 Stunden vor meiner Abfahrt meinen Koffer gepackt habe, weil ich es vorher nicht weitergebracht habe, als ihn anzustarren. Die Wahrheit ist, dass ich mich von viel zu vielen Freunden und Bekannten nicht offiziell verabschiedet habe, weil ich nicht realisiert habe, dass der Zeitpunkt dafür jetzt gekommen ist. Allein deswegen fühle ich mich schon schlecht und nur mit einem Fuß im Flugzeug. Dann ist da noch meine rechte Hand, die noch die von Pablo hält, meine eine Hüftenhälfte, die noch Salsa tanzt, meine pummelige Bauchhälfte, die noch Reis mit Huhn und Kidneybohnen isst. Meine rechte Gehirnhälfte, die noch in der Musikschule unterrichtet und mein Herz? Das in der Mitte schwebt.

Ich hätte viel mehr Zeit gebraucht, mich mit all dem auseinanderzusetzen, aber wenn ich sie gehabt hätte, hätte ich sie wahrscheinlich nicht genutzt. Wie erkläre ich euch nur, warum ich mich so fühle, wie jetzt. 9 Monate, das sind 41 Wochen und 287 Tage, an denen jede Stunde etwas passiert ist, was mir vorher noch nie passiert ist. Von null auf hundert eine Sprache lernen, eine neue Familie zu haben, fremden Menschen zu vertrauen, Noten lesen beibringen, Fischsuppe zum Frühstück zu essen, mit Moskitonetz zu schlafen, den Mond falschrum zu sehen, andere Musik kennenzulernen, Freundschaften in einer anderen Sprache zu schließen, die Mama nur im Bildschirm zu sehen, sich jeden Tag mehr da Zuhause zu fühlen, wo man jeden Morgen aufwacht. Und gerade die letzten zwei Monate, die so unglaublich intensiv waren und so unglaublich langsam vergangen sind, haben mir ein ein Gefühl von: „hey ich bin doch Zuhause“ gegeben.

Warum ich dann überhaupt eingestiegen bin in meinen Flieger? Ich habe viel vor in den nächsten Tagen und irgendjemand hat bestimmt, dass ich diese Tage in Deutschland verbringen werde. Ich fahre gleich am Donnerstag auf das Vorbereitungsseminar von den neuen MOG-Freiwilligen, um von Playas zu erzählen, ich habe Vorstellungsgespräche, Kaffeverabredungen und das Bedürfnis meine Familie wieder zu umarmen. Ich bin hin- und hergerissen zwischen zwei neuen und gleichzeitig alten Welten und höre eigentlich nur mein Herz in der Mitte vor sich hin schlagen.

Aber vor allem bin ich hin und weg. Von all den Bildern, die ich in mir trage, all den Personen, die ich zu lieben gelernt habe und dem Abenteuer, das im August mit euch angefangen hat und jetzt zuende geht.

Danke, dass ihr mich in jedem Tiefpunkt wieder nach oben blicken habt lassen und in all den schönen Momenten mit e-Mails und Anrufen mitgefiebert habt. Ich freue mich darauf, euch alle wieder zu sehen! La Paulita

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