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Landleben, Partyärzte, da Vinci und das große Konzert

Seid mir gegrüßt,

ein Blick ins Tagebuch, schon wieder zwei Wochen rum, gerade mal Zeit, Bock und Ferien, hier also mein dritter Blogeintrag:

Bereits einen Tag vor meiner letzten Niederschrift, dem 19.08., waren Magdalena, Rodolfo, und Leander nach Playas gekommen, an besagtem Montag traf ich sie dann auch im Centro Intercultural, wo sie sich unsere Arbeit mal ein wenig anschauen wollten. Prompt war Alex, der Chef vom Centro, und mit ihm die Schlüssel zu unseren Räumlichkeiten nicht da, sodass wir im Wesentlichen rumsaßen und anspruchsvoll konversierten.

Zu sehen sind hier Andres, einer der Gitarrenschüler von Julia, die bereits letztes Jahr angefangen haben und schon ziemlich gut spielen, Maggie und Luisa.

Zu sehen sind hier Andres, einer der Gitarrenschüler von Julia, die bereits letztes Jahr angefangen haben und schon ziemlich gut spielen, Maggie und Luisa.

Am nächsten Tag sind wir dann endlich mit jeder Menge an Instrumenten und Tütenweise Nudeln, Gemüse und Butter in Pablos Camionetta (Pick-Up) Richtung Puerto de Engabao zum Hostal von Daniel gedüst, haben dort gekocht, wobei die Knoblauchbutter von Maggi alle restlos begeisterte, und ein wenig musiziert. Irgendwie hatte ich mir das ganze noch ein bisschen toller vorgestellt, aber so ist das halt manchmal mit zu hohen Erwartungen, schön wars trotzdem!

Ansonsten ging’s weiter wie gehabt, Unterricht hat Spaß gemacht, sofern er denn stattfand, und Freitag ging’s dann schließlich zusammen mit den Freiwilligen aus dem Guasmo/Guayaquil, vielen Schülern von Clave de Sur bzw. den Mitwirkenden der (von den Eccis geführten) Coordinación der Musikschule sowie Pablo aufs Land, in ein Dorf namens Luz y Guía, was anscheinend dennoch meist Linea Zero genannt wird, da es direkt auf der Grenze zwischen zwei Provinzen liegt. Dort war es einfach unglaublich, aber seht selbst:

Dieses Wochenende war in vielerlei Hinsicht einfach großartig, neben den unglaublich leckeren oder aber entspannenden Naturerscheinungen, war es auch einfach wunderbar für die Gemeinschaft insgesamt, explizit aber auch für uns als Playasgruppe, ich weiß gar nicht warum, es gibt kein konkretes Ereignis, es klingt komisch, aber ich glaube es lag daran, dass wir mal auch mit mehr und anderen Deutschen rumgehangen und gelabert haben und somit mal ein bisschen Abstand von uns, den sonst ja immer gleichen Leuten, gewinnen konnten, die in Playas schlicht schon wegen der Sprachbarriere, allerdings auch aufgrund kultureller Vertrautheit, die vornehmlichen Ansprechpartner bei fast Allem, was tiefer geht, waren und noch sind (jedenfalls für mich gesprochen), und sich gleichzeitig mal noch mehr als in Montanita in einem anderen Kontext kennenlernen durfte, sodass man sich (ich mich jedenfalls) nach diesem Wochenende noch wohler in unserer kleinen Gemeinschaft gefühlt hat(be). (Dieser Satz muss lang und verwirrend sein, weil ich mir selber noch nicht ganz sicher bin, was ich eigentlich sagen will)

Gleichzeitig war es für mich einfach großartig, die Eccis aus dem Guasmo kennenzulernen. Was ich bisher mitbekommen durfte, ist dermaßen interessant und schwer in Worte zu fassen, ich versuch’s trotzdem: Eine wundervolle Gemeinschaft aus auf den ersten Blick doch ziemlich unterschiedlichen Individuen, die sich über die Musik geformt hat und (anscheinend) ziemlich unhierarchisch ziemlich coole Sachen auf die Beine stellt. Das fasziniert mich – wie man vielleicht schon um Subtext rauslesen konnte – ziemlich. Mal sehen, evtl. werde ich das Projekt früher oder später mal für einen längeren Zeitraum besuchen. Auf jeden Fall hab ich mich mit einzelnen Guayaquillenos schnell auch sehr gut unterhalten und verstanden, sowie Shithead bzw. Cabeza de Mierda weiterverbreitet. 🙂

Die Mitbringsel dieses Wochenendes hatten es dagegen in sich: Zunächst waren da die gefühlt 200 Mückenstiche insbesondere im Fuß-/Unterschenkelbereich und ein müffelnder Rucksack sowie, wie sich am Montagmorgen offenbarte, eine mittelmäßig angenehme Lebensmittelvergiftung, die ich mir vermutlich beim Bollo-Essen an diesem kleinen Imbiss zugezogen habe, sicher sind wir uns da aber nicht.

Jedenfalls kam ich nach mehrmaligem Übergeben ins Krankenhaus wo der Brechreiz nach einiger Zeit mehr oder weniger starkem Fieber wich. Treu an meiner Seite blieben abwechselnd Julia und Lena sowie zeitweise deren Gastmütter. Auch an dieser Stelle möchte ich nochmal betonen, wie dankbar ich dafür bin, mir ging es zwischenzeitlich doch recht dreckig. Das Gesundheitssystem Ecuadors gesteht jedem Patienten immerhin kostenlose (Basic-)Behandlung im Krankenhaus zu – viele Medikamente muss man sich jedoch selbst kaufen, insb. bei großen Operationen kann das ganz schön teuer werden, abgefahren auch die Szenen bei Geburten: Als Lena einmal Medikamente für mich holte, stand mit ihr in der Schlange eine hochschwangere Frau, die bereits heftig in den Wehen war, aber halt noch die Werkzeuge und Medikamente und Kram für die Geburt kaufen musste. Nun ja, ich hatte ja Glück bzw. einfach wundervolle, liebenswerte Freundinnen und musste das Zeug nicht selber kaufen. Außerdem waren auch die Ärztinnen und Ärzte ziemlich cool drauf, alle so Mittzwanziger, die meisten von ihnen waren, glaube ich, in ihrem praktischen Jahr nach dem Studium, es gab sozusagen nur zwei bereits vollends fertige Ärztinnen, die eine ist auch eine Surferin, kennt also quasi unsere Freunde hier ganz gut und Julia und Lena auch flüchtig, wie sich im Laufe des Tages rausstellte, die andere trug nicht etwa einen Kittel oder so, nein, sie hatte ein mittelmäßig seriöses Micky-Mouse-Oberteil und einen recht knappen Minirock samt Leggins an – nicht dass ich mich beschweren wöllte, die sah so auch echt ganz niedlich aus und mein Zustand hatte sich auch recht schnell wieder soweit verbessert, als dass ich das lustig fand. Naja wie auch immer, eigentlich behandelt hat mich jedoch eine liebe Absolventin namens Odra, die sich wunder- und liebevoll um mich gekümmert hat und mit Julia, Lena und mir auch viel gequatscht hat, sehr sympathisch, letzten Freitag rief sie dann auch tatsächlich bei Lena an und wollte mit uns feiern gehen. Superding, das werde ich auf jeden Fall nachholen – mit meiner Ärztin feiern gehen, großartig, das ist ein wundervolles Beispiel, was hier irgendwie so angenehm anders ist.

Jedenfalls musste ich eine Nacht da bleiben, da das Fieber nicht so schnell verflog und auch den nächsten Tag, den Dienstag, dem 27.08., blieb ich tagsüber im Hospital. Zwar verspürte ich keinerlei Brechreiz oder Fieber, jedoch schien nur eine (wirkliche) Ärztin für das ganze Hospital am Start zu sein, die sich entsprechend erstmal mit Not- oder dringlicheren Fällen als mir befasste, der ich stabil, glücklich, wenn auch zeitweise ein wenig gelangweilt in meinem Bett rumchillerte. Abends schließlich durfte ich wieder raus, leider hab ich so jedoch den Geburtstag sowie die entsprechende Fiesta von der lieben Jana anlässlich der Vollendung ihres 18. Lebensjahres völlig verpasst. Außerdem durfte ich die neue grenzenlose Geigenlehrerin Insa erst zwei Tage nach ihrer Ankunft hier begrüßen.

Was folgte waren einige Tage intensiven Arbeitens, schließlich gab es Sonntag bereits das Konzert, auch wenn dieser Blog womöglich manchmal einen anderen Anschein hinterlässt, bin ich hier schließlich hauptsächlich als Saxophon- und Klarinettenlehrer am Arbeiten, aber was soll ich noch darüber schreiben, ohne mich zu wiederholen? Ich mein – Läuft, macht Freude!

Durch den Ausfall meiner beiden Krankheitstage musste ich jedoch meine ehrgeizigen Pläne für das Konzert ein wenig ändern, von den fünf Schülern, die es pot. bis zum Sonntag zu einem kleinen Lied hätten bringen können, blieben nun noch Luisa und Christian – die dafür umso beflissener arbeiteten. Ich bin nach wie vor nach jeder Unterrichtsstunde mit den beiden aufs Neue von deren Enthusiasmus beglückt.

Am Freitag sind wir (Lena, Julia, Ole, Insa und ich) frühmorgens auf die Hacienda (die Farm) von Maicol, wiederum ein Freund der beiden oben erstgenannten, gefahren – sehr interessant. Er ist eig. auch einer der Surfercrew aus Playas, hat das alles quasi vom Großvater seiner Ehefrau übernommen und ist gerade dabei, das alles auf ökologische Produktion umzustellen – sehr sympathisch. Leider hab ich noch nicht die Fotos von Ole bekommen, wenn ich die dann habe, mach ich vielleicht noch mal einen Extraeintrag darüber, das war echt cool!

Am selben Tag sind wir wieder nach Guayaquil gereist und haben uns dort das Konzert von Clave de Sur, also dem Projekt aus dem Guasmo in einem deutschen Zentrum angeschaut. Das war großes Kino, einerseits musikalisch sehr beeindruckend mit vielen sehr ansprechenden Beiträgen, doch das eigentlich tolle war die großartige Atmosphäre, die dieses Konzert hatte, die große Lust, die permanent auf der Bühne zu sehen war, die Energie, die von der Musik getragen wurde, der berechtigte Stolz auf das Geschaffte – ich war danach ganz beseelt und von Neuem bestärkt in meiner Überzeugung, wie sinnvoll diese Arbeit hier ist.

Nun gut, spulen wir mal vor, Sonntag, drei Uhr Nachmittags: Das Konzert ist perfekt vorbereitet und es sind tatsächlich auch schon erstaunlich viele Schüler, Familien, Freunde und sonstige Gäste da, so dass wir mit lediglich knapp 20 Minuten Verspätung anfangen. Was folgt sind etwa anderthalb Stunden wundervollen Musizierens, größtenteils natürlich auf Anfängerniveau, aber was in diesen vier Wochen, in sechs bis acht Unterrichtsstunden entstanden ist, befand ich für äußerst beeindruckend. Wiederum herrscht eine herrliche Stimmung, jeder Beitrag wird gebührend bis enthusiastisch gefeiert und ein starkes Glücksgefühl bricht sich bei mir nach der durchaus stressigen Arbeit langsam Bahn.

Nun, es blieb nicht viel Zeit zu genießen, es wurde gebraten oder wie ich das in fremdländischen Dialekten mal gehört habe: gegrillt. Wir hatten uns überlegt, als Dankeschön für die Gastfamilien, das Centro Intercultural und unsere Schüler eine kleine „Pariada“ zu veranstalten, soll heißen Rost brennt. Leider nicht mit leckeren Rostbratwürstchen, doch die Rinder- und Schweinefilets waren durchaus ein annehmbarer Ersatz. Dazu gab es Menestra, also lecker Bohnen mit Pampe sowie Reis – was auch sonst. Dazu haben einige unserer Schüler noch Salate mitgebracht, sodass wir am Ende nicht nur ein dem Gaumen mundendes sondern auch dem Auge gefälliges Gesamtwerk servieren konnten. Nur das mit dem Braten gestaltete sich doch schwieriger als gedacht, ich hab mir das ja so vorgestellt, wie man das bei uns in Thüringen halt so macht, einer brät und die andern schlurfen gesenkten Hauptes mit Tränen der Dankbarkeit vorbei, sich ihr Würstchen oder Brätel abholen, und beschenken den ehrenwerten Brater mit allerlei Bier. Nun ja, das ist hier anders, schon beim Entzünden der Kohle kamen Ole und mir ungebetenerweise einige uns völlig fremde Frauen älteren Kalibers „zur Hilfe“, soll heißen sie nahmen uns das Heft des Handelns aus der Hand – und es wurden immer mehr, bis sich schließlich mein Gastpapa, ihr erinnert euch, stadtbekannter Koch von mächtiger Gestalt, dazwischen schob und die Rostherrschaft an sich riss.

Tja, wir waren jedenfalls abgemeldet, nichtsdestoweniger war auch diese abendliche Mahlzeit, deren Planung uns auch noch einige Nerven gekostet hat, ein voller Erfolg, sodass ich schließlich mit einem Gefühl vollster Zufriedenheit die Nacht begehen konnte. Selbige ließen wir dann nämlich mit den Guasmo-Dudes, die uns anlässlich des Konzerts besuchten, mit einem Lagerfeuer am Strand ausklingen.

Und jetzt hab ich gerade eine Woche Ferien – und chill mal 🙂

t_P1050409

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