Wenn wir ein neues Projekt unter dem Dach von Musiker ohne Grenzen ins Leben rufen, legen wir großen Wert darauf, dass die wichtigsten Voraussetzungen erfüllt sind. Fehlen eine oder gleich mehrere dieser Rahmenbedingung für längere Zeit oder lassen sie sich nicht in absehbarer Zeit schaffen, kann ein Projekt nicht langfristig bestehen. Und genau deshalb haben wir uns im Februar 2024 entschieden, das Projekt in Jamaika nicht fortzuführen.
Es würde die Sache sehr erleichtern, wenn sich unsere Entscheidung an einem einzigen, leicht verständlichen Beispiel erklären ließe. Ganz so einfach ist es leider nicht. Trotzdem wollen wir natürlich die wichtigsten Gründe nennen.
Sicherheit
Es ist kein Zufall, dass MoG-Projekte ausgerechnet dort eine besondere Wirkung entfalten können, wo die Rahmenbedingungen für ein Musikprojekt erst einmal nicht optimal wirken. Mal ist das Umfeld von schlechter Infrastruktur geprägt, mal ist die finanzielle Situation der Schüler*innen herausfordernd, mal ist das soziale Umfeld der Musikprojekte von Armut, überdurchschnittlich viel Kriminalität oder gewalttätigen Auseinandersetzungen geprägt. In manchen Projekten, und dazu zählt auch das Projekt in Jamaika, kommen mehrere oder gleich alle dieser Faktoren zusammen.
Mit der Corona-Pandemie haben sich die Bedingungen in Jamaika (und auch in anderen MoG-Projekten) dramatisch verschlechtert – und seitdem nicht ausreichend verbessert. In Kingston rivalisieren verschiedene Gruppen und tragen Konflikte auf offener Straße, teils mit Gebrauch von Schusswaffen, aus. Unter bestimmten Voraussetzungen muss das nicht zwangsläufig das Ende der Projektarbeit bedeuten – aber als Verein, der überwiegend junge Erwachsene als Musiker*innen entsendet und als primäre Zielgruppe der Projektarbeit Kinder und Jugendliche anspricht, fehlt uns vor diesem Hintergrund für einen Neustart der Projektarbeit nicht nur das unerlässliche, gute Bauchgefühl, sondern auch nach einer so langen Projektpause die nötige Nähe und das Einschätzungsvermögen, um die Dynamiken in Kingston nachvollziehen und einschätzen zu können.
Kapazitäten
Die vielleicht wichtigste Säule unserer Projektarbeit ist die eine Entschlossenheit (nicht zu verwechseln mit Sturheit), Leidenschaft für den Sinn und Zweck unserer Arbeit und jede Menge Durchhaltevermögen. Das gilt ganz besonders für Projekte, die sich unter so herausfordernden Bedingungen etablieren sollen. Das Jamaika-Team hat seit dem ersten Tag sowohl hier in Deutschland als auch in Jamaika alles davon gezeigt und alles gegeben. Die kreative Gestaltung und der Erfolg der Projektarbeit in den Jahren vor der Pandemie ist genauso ein Beweis dafür wie die Tatsache, dass sich im Team gleich einige der ‚Dienstältesten‘ und erfahrensten Mitglieder des Vereins engagieren – zusammen mit Aktiven aus allen jüngeren Generationen.
Das Team hat über eine lange Zeit und spätestens seit dem Ende der Pandemie all seine Kräfte mobilisiert, um Aktive für einen Neustart der Projektarbeit zu gewinnen und Wege zu suchen, um es selbst zu meistern – leider vergeblich. Für einen Neustart der Projektarbeit fehlen die Kapazitäten. Und ohne Kapazitäten fehlt irgendwann der Mut.
Was bleibt? Hat sich die Arbeit gelohnt?
Manche Projektideen starten als Versuch – es könnte ja gut werden. Und wenn es dann zum Ende kommt, überrascht es niemanden wirklich.
Das Jamaika-Projekt war anders, auch wenn einige Fragen seit dem ersten Tag eine Herausforderung für uns waren. Mit dem Projekt in Kingston stand immer auch der Wunsch nach Mehr im Mittelpunkt. Wir haben gehofft, dass das Umfeld sicherer wird, dass die Strahlkraft des Projektes auch andere Menschen und Initiativen auf der Insel ansteckt, die Community wächst und wir – und irgendwann bald auch unsere Schüler*innen – an weiteren Standorten auf Jamaika unterrichten und Musik machen können.
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Doch es gehört auch zu unserer Arbeit, vernünftig zu sein (und eben nicht stur) und verantwortungsbewusst zu handeln. Jetzt bleibt uns nur, allen von Herzen DANKE zu sagen, die uns und das Jamaika-Projekt in den letzten Jahren begleitet und unterstützt haben! 💚
Glücklicherweise misst sich der Wert und der Erfolg unserer Arbeit nicht allein an den Zahlen unterrichteter Schüler*innen oder an der Schwierigkeit gelernter Noten. Wir sind voller Respekt und Anerkennung, wenn wir uns vor Augen führen, wie viel wir alle (ob in Deutschland oder Jamaika) gelernt haben, die Welt gemeinsam im Großen wie im Kleinen zu gestalten, positiv zu verändern, das Leben lebenswerter und bunter zu machen und zusammen füreinander Verantwortung zu übernehmen. Diese Erfahrung wirkt – lebenslang.
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