
Fünf Wochen frei. Der Wunsch, ganz weit weg zu sein. Suche nach einem Praktikumsplatz. Lateinamerika. Eine spontane Idee. Und der Vorschlag: „Könntest du dir vorstellen, als Nichtmusikerin nach Ecuador zu fliegen?“.
Und schon sitze ich hier am Frankfurter Flughafen, die Uhr zeigt 04:01 und irgendwie ging dann doch alles ganz schön schnell. Am Ende viel zu schnell für jemanden, der am liebsten alles bis ins kleinste Detail durchgeplant hat. Bis ein paar Stunden vor Abfahrt nicht zu wissen, wer einen am Flughafen abholen wird und keine Telefonnummern zu haben, hat den Kontrollzwang auf die Probe gestellt.
Ich lehne mich zurück und versuche, zu entspannen. Langsam ist das Echo in meinem Kopf verebbt, dass mich seit den frühen Morgenstunden am Tag meiner Abfahrt begleitet hat: „Reisepass, Kreditkarte, BahnCard, Zugticket, Krankenkassenkarte, Flugtickets, Reisepass, Kreditkarte, BahnCard, …“
An Schlaf ist nicht zu denken, viel zu unbequem, ständig rattern kleine Wägen vorbei, und sowieso, man muss ja auf sein Gepäck aufpassen. Neben mir ein viel zu großer Rucksack, voll mit Schokolade, Aufnahmegeräten, einer Videokamera, Mückenschutz, und (für meine Verhältnisse) nur wenig Kleidung. Zurückhaltung ist angesagt. Schmuck habe ich auch direkt zu Hause gelassen. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Ich versuche, mich im Geiste schon einmal auf die südamerikanische Mentalität vorzubereiten, aber so richtig mag das nicht gelingen an diesem sterilen Flughafen, der überall auf der Welt sein könnte – und doch an einigen Stellen so typisch deutsch ist.
Eine Nichtmusikerin in Ecuador. Um das nicht falsch zu verstehen: ich habe durchaus ein Instrument gelernt, auch wenn ich die Male, die ich seit dem Abitur an meinem Klavier saß an einer Hand abzählen kann. Musik ist toll und macht Spaß, ob man nun selbst spielt oder zuhört.
Aber meine Aufgabe in Ecuador wird eine andere sein. Dokumentation und Evaluation. Einen Blick von außen werfen in die Projekte, Fotos machen, für die den Musikern im Alltag in den Musikschulen die Zeit fehlt. Mein Arbeitsauftrag besteht aus einigen klaren Vorgaben, viel freien Gestaltungsmöglichkeiten, ein paar Notizen.
Eigentlich gar nichts besonderes, oder doch? Ich schwanke zwischen Gelassenheit und großem Respekt vor meiner kleinen Aufgabe. Was, wenn ich ohne vernünftige Ergebnisse nach Deutschland zurückkehre?
„Typisch deutsch“, ermahne ich mich und versuche erneut, mich darauf einzulassen, alles einfach auf mich zukommen zu lassen.
Im Geiste gehe ich meine Reiseroute noch einmal durch: Guayaquíl, Galápagos, Playas, Línea Zero, Guayaquil. Das ist die Stelle, an der ich immer zu schmunzeln beginne: Ich bin ein Glückspilz! Neben all meinem Organisationswahn freue ich mich nämlich seit Monaten schon wahnsinnig auf meine Zeit auf dem anderen Kontinent. Liebe Mails von Musikern vor Ort haben mich beflügelt und den „Nebel Ecuador“, in dem ab und zu ein paar Homepage-Bilder blitzen und in den ich nun fliege, ein bisschen gelichtet.
„Entspannen und alles auf sich zukommen lassen“ wird mein Motto für die nächsten fünf Wochen sein. Wird es sein müssen.