Nach dreißig Stunden komme ich in Guayaquil an. Beim Landeanflug traue ich mich viel zu spät, heimlich ein Foto zu machen. Langsam werde ich müde. Ich schnappe mir meinen viel zu schweren Rucksack und stelle mich bei der Passkontrolle an. Inzwischen hat sich auch die Panik gelegt, die beim Ausfüllen der Formulare im Flugzeug kurz aufgekommen ist. Natürlich habe ich keine verbotenen Substanzen bei mir, und mich springen auch keine Wachhunde an, weil mir jemand Drogen zugesteckt hat.
Ich verlasse das Gebäude und laufe gegen eine Hitzewand. Abgeholt werde ich von zwei netten jungen Ecuadorianern. Überflüssigerweise frage ich nach dem Sicherheitsgurt. Es geht los und ich habe so viel Spaß wie selten auf einer Autofahrt. Reden kann ich nicht, viel zu sehr bin ich damit beschäftigt, aus dem Fenster zu schauen und zu staunen, wie wir uns durch die Massen von Autos schlängeln, die auf einer vermutlich drei bis vierspurigen Straße fahren.
In der Familie, in der ich die Nacht über bleiben werde, lebt im Moment noch eine andere Musikerin. Ich werde von ihr willkommen geheißen. Ein ist ein bisschen seltsam, eine fremde Familie, alle schon in Schlafsachen, ich weiß auf Nachfrage nicht einmal, ob ich nach meinem Trip wieder in diese Familie zurückkommen werde und – wie war das noch gleich? Hier gibt man Küsschen, oder?
Zu Glück habe ich Schokolade dabei. Schokolade baut schließlich Brücken zwischen Menschen unterschiedlichster Nationen. 😉
Auf einmal bin ich wieder hellwach, treffe noch die anderen Musiker in -ja, wo eigentlich? Keine Bar, aber irgendwie doch, alle sitzen um einen Tisch oder spielen Billard.
Ich unterhalte mich ein bisschen, erfahre von allen, welche Instrumente sie spielen und vergesse es gleich wieder. Vermutlich bin ich ein bisschen erschlagen von all den neuen Eindrücken. Eine Weile sitze ich einfach nur da, mache mir ein Bild davon, wie die Musiker und Musikerinnen miteinander umgehen, Billard spielen und sich am Salsa tanzen versuchen.
Nachdem ich mir von jemandem habe organisieren lassen, dass jemand, der jemanden kennt, der ein Auto hat, mich am nächsten Morgen abholen würde, brechen wir gegen Mitternacht auf. Nachdem von meiner Mitbewohnerin für eine Nacht noch eine kleine Korrektur des Planes für den nächsten Morgen durchgeführt wurde („NIEMALS ist der um halb neun da!“) lassen wir uns nach Hause begleiten. Noch ein Glas Wasser und eine Unterhaltung auf dem Küchenboden, dann geht es langsam ins Bett. Auch der nächste Tag würde ein langer werden. Wir schlafen zu dritt in einem Zimmer, die Musikerin, ihr Gastbruder und ich. Es ist heiß, wir liegen unter einem Moskitonetz, ich fühle mich sicher und irgendwie geborgen.
Am nächsten Morgen heißt es wieder: ab zum Flughafen. Meine Fahrer kommen nur eine halbe Stunde zu spät, in der Zwischenzeit bringt mir meine Gastmama etwas übers Fotografieren bei. Sie ist Fotografin. „Das ist genau die Kamera, die ich mir kaufen wollte, aber mir haben 300$ gefehlt.“ Ich muss kurz schlucken. Ich habe mir die Kamera mal eben kurzerhand zu Weihnachten gewünscht.
Auf dem Flug nach Galápagos lerne ich eine einen jungen Chilenen und eine Ecuadorianerin, die auf Galápagos wohnt, kennen. Wir unterhalten uns den ganzen Flug und ich kann nun vollends zustimmen: Wer allein reist, lernt viel mehr Menschen kennen.
Angekommen wird am Flughafen mein Apfel, der schon seit Hamburg als Proviant in meinem Rucksack liegt, registriert. Ich lüge und sage, er sei aus Guayaquil, und das Wachpersonal ist sich nach betrachten und schnuppern auch einig, dass das stimmt und es die nationale Sorte ist, die nur registriert werden muss. Ich fülle das Formular aus und fühle mich wie in Deutschland.
Ich mache mich mit meinen neuen Bekanntschaften auf den Weg. Alle setzen mit einem Boot auf die Nachbarinsel über und wir wissen: ja, wir sind auf Galápagos. Das Wasser ist unglaublich blau.
Mit dem Taxi zum Hafen, dort trennen wir uns und ich werde abgeholt. Ich lege meine Sachen ab und fühle mich sofort wohl. Alles ist ein wenig unordentlich und ein bisschen dreckiger als in Deutschland, aber das kümmert niemanden. Die anderen müssen noch einmal zur Musikschule, ich laufe noch ein bisschen durch die Straßen.
Abends feiern wir in den Geburtstag einer Musikerin rein, es kommen Freunde, hauptsächlich Ecuadorianer, aber auch einige Deutsche, zu Besuch. Auf der Terrasse wird zu Beginn Gitarre und Geige gespielt. Später gehen wir noch feiern.
Langsam kommt der Jetlag bei mir an und ich bin heilfroh, als ich nachts um drei im Bett liege. In Deutschland ist es jetzt schon zehn Uhr morgens, und wer mich kennt, weiß, dass ich da am liebsten schon wieder aufgestanden bin.
Es gibt am nächsten Morgen ein tolles spätes Geburtstagsfrühstück mit vielen lieben kleinen Geschenken. Man hat sich hier offensichtlich wirklich gern.
Während sich die anderen beim Frühstück eher auf der/die/das Nutella stürzen, das es zur Feier des Tages gibt, bin ich eher begeistert von Obstsalat mit Papaya und Avocado auf selbstgebackenem Brot.
Heute Mittag waren wir dann am Strand. Schwimmenden Echsen zuschauen, schnorcheln, Fotos machen. Man vergisst die Zeit. Auf einmal sind alle Deutschen weg. Ich beeile mich, nach Hause zu kommen. Vielleicht braucht ja jemand das Fahrrad, das ich geliehen habe. Oder jemand wartet mit dem Essen. Und außerdem wollte ich doch nachmittags mit in die Musikschule, nicht, dass schon alle weg sind…
Nichts von alle dem. Die meisten sind da. Sitzen auf der Terrasse, essen eine Kleinigkeit, einige packen ihre Sachen für die Musikschule und machen sich auf den Weg dorthin. Von Stress keine Spur. Die Uhren laufen langsamer hier.
Ich setzte mich hin. Musik läuft, Wind weht durch das kleine Appartement. Im Kühlschrank wartet eine Schwarzwälder-Geburtstagsbrombeertorte. Ich strecke die Beine aus, und mich ergreift eine tiefe Entspannung, wie sie nur ein paar schönen Stunden am Strand bewirken können. Eine Eidechse flitzt über den Boden, macht es sich unter meinem Sofa bequem und dreht ab und zu ein paar Runden um meine Füße. Eine der Musikerinnen tanzt durch den Raum.
Inzwischen hat die kleine Eidechse es sich bei mir auf dem Sofa gemütlich gemacht. Ich sehe mir die Bilder an, die ich am Strand gemacht habe, staune über die Farben.
Ich dachte, ich würde nach Ecuador fliegen, aber ich bin im Paradies gelandet.