Zurück in Deutschland. Die Projektphase der Musiker ohne Grenzen liegt nun fast 2 Monate zurück und der Alltag hat uns wieder. Die strengen Organisationsabläufe, die Deadlines und Pflichten, der graue deutsche Herbst – rückblickend hat man nichts davon so richtig vermisst, damals, in Guayaquil, in der Sonne auf dem staubigen Musikschuldach, umgeben von Proben und Gewusel und Musik und Reis mit Linsen.
Mittlerweile scheint diese Zeit so unfassbar lange zurückzuliegen. Irgendwie unwirklich. Aber der Kontakt reißt nicht ab, auch wenn das Leben weitergeht, hier in Deutschland ebenso wie in Ecuador. Die Band En Red, mit der wir in Guayaquil so viel Zeit verbracht haben, mit der wir ihren Song „Claro“ arrangiert und aufgenommen haben, mit denen wir das Musikvideo auf dem Musikschuldach gedreht haben, verlässt als erste Gruppe der Musikschule Clave de Sur den Guasmo und spielt Konzerte in den Klubs auf der Promenade in der Innenstadt Guayaquils. Diese Woche geht’s los. Auf einmal bezahlen die Menschen 10$ Eintritt (!!), um diese Musik zu hören. Als nächstes steht die professionelle Produktion einer eigenen CD an, die Bewerbung der CD in Interviews und auf Plakaten und eine eigene Tour. Auch wenn es dafür vielleicht noch etwas zu früh ist: vielleicht ist mit En Red die erste Initiative der Musikschule bereit für den dauerhaften Sprung aus dem Guasmo auf die Bühnen des Landes. Das macht einen einerseits unglaublich stolz, andererseits aber auch unglaublich traurig, weil man 10.000 Kilometer weit weg ist und nicht genau versteht, was da gerade passiert, und weil man seine Schüler und Freunde nicht begleiten kann.
Am Ende bleibt das saugute Gefühl, dass man gemeinsam mit den anderen MOGs etwas erreicht hat, das noch vor wenigen Jahren undenkbar schien. Vor sechs Jahren, als die Musiker ohne Grenzen zum ersten Mal ein Projekt in Guayaquil anfingen, da waren die 5 Musiker von En Red zwischen 12 und 19 und konnten wahrscheinlich nicht einmal eine einzige Note auf irgendeinem Instrument spielen. Wie auch, Instrumente gab es keine. In den ersten Unterrichtsstunden wurde Body Percussion gelehrt, das ging auch ohne. Dann kamen nach und nach die Instrumente dazu, die Straßen im Guasmo wurden geteert, die Häuser wurden etwas besser, der Strom fiel etwas weniger oft aus, und das Kulturzentrum Mi Cometa und mit ihm die Musikschule Clave de Sur bekamen ein eigenes Gebäude.
Dann kam dieser Punkt, an dem die Begeisterung der Eccies für das gemeinsame Musizieren so offensichtlich war, dass der Verein Musiker ohne Grenzen e.V. gegründet wurde, einfach, weil dieses Projekt immer weitergehen musste. Die endlosen Proben, Ensembles, Bands, Gruppen, Konzerte, die zahllosen Unterrichtsstunden. Und nun, sechs Jahre später, da steht diese Band vor den verdutzten deutschen Freiwilligen, den Vertretern des Kulturzentrums und den Vertretern der ecuadorianischen Kulturbehörden, und spielt eigene Songs. Und die sind so gut, dass die fünf jungen Musiker in Zukunft vielleicht sogar von ihrer Kunst leben können.
Dieser Rück- und Ausblick tut gut, hier im Büro der Hamburger Arbeitsgemeinschaft freier Jugendverbände. Er ist jedenfalls allemal sonniger als die graue Suppe da draußen vor dem Fenster. Diese Entwicklung ist der Beweis, dass es weitergehen muss. Dass die älteren Schüler der Musikschule Clave de Sur lernen, die jüngeren Schüler zu unterrichten. Dass sie losziehen, um in anderen Teilen Ecuadors selbst Musikschulen aufzubauen. Dass es weitere Orte gibt, an denen sich entsprechende Initiativen lohnen, zum Beispiel das 2012 gegründete Projekt in Kalkutta, Indien, und das geplante Projekt in Hamburg Steilshoop. Dass dieser ganze Wust an Arbeit nicht wie bisher nur in den WG-Küchen einiger Hamburger Studenten bewältigt werden kann, weil dafür Infrastruktur und Organisationsformen erforderlich sind. Und dass diese Menschen, die schon so viel länger dabei sind als man selbst, in den vergangenen Jahren ganz viel geschafft haben, und dass all das eine spannende und aufregende Zukunft für die Musiker ohne Grenzen verspricht.
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