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Doppeldominanten im Guasmo

Halbzeit! Es ist unglaublich, wie die Zeit vergeht. Es kommt mir wie gestern vor, als wir vor dem Flughafen standen, ohne Koffer und mit dem kaputten Auto, welches nach 2 Stunden Reparatur dann doch endlich angesprungen ist. Das ist jetzt schon aber fast 4 Monate her.

Wir haben hier schon unglaublich viel erlebt. Nach einer abwechslungsreichen und hektischen Projektphase mit 3 perfekten Abschlusskonzerten folgte eine recht ruhige Phase. Wir hatten den Unterricht komplett abgesagt, damit wir das Abschlusskonzert in Playas sehen und das Land ein wenig erkunden konnten. Ich entschied mich noch 1-2 Tage in Playas, in der Gastfamilie von Ole, zu bleiben. Die zwei Gastschwestern (3 und 5 Jahre alt) haben mich schon fest in die Familie eingeschlossen, sodass ich, immer wenn ich sie besuchen komme, direkt umarmt werde und ein „Mi Hermanito“ (= mein Brüderchen) zu gerufen bekomme. Danach ging es wieder in den Guasmo. Es fühlte sich schon an wie zu Hause, als ich die Tür aufmachte und das Kilo Reis mit Hühnchen sah. Die Woche alleine hat mein Spanisch unglaublich verbessert, weil ich einfach kaum Deutsch geredet habe. Es war sehr entspannt, da man sich einfach nur spontan zum Musikmachen getroffen und ganz stressfrei ein bisschen gejamt hat. Danach ging es wieder gewöhnlich an den Unterricht und mittlerweile sind wir fleißig in der Weihnachtsvorbereitung.

Die Zeit rennt und langsam hat man sich an den Alltag in den Familien, welcher schon etwas hektisch ist, gewöhnt. Der Tag fängt gegen 6 Uhr morgens an, wenn die Hunde bellen und fressen wollen. Das ganze bekommt natürlich die gesamte Familie mit, weil die Wände des Hauses nicht bis ganz zum Dach gehen. Meine Gastmutter steht darauf hin auf, befreit die Hunde von ihrem Leid und gibt ihnen ihr Frühstück. Doch an meinen geliebten Schlaf komme ich nicht mehr, da der Fernseher, der direkt neben der Wand, an der mein Bett steht, auf voller Lautstärke angemacht wird (Dies ist übrigens der Grund für diesen Bericht).

Der Guasmo

Der Guasmo

Um ca. 9 Uhr schaffe ich es dann auch endlich mit Ohrenschmerzen und Augenringen aus dem Bett, mache mir meinen Instant-Kaffee, welcher mittlerweile schon fast gut schmeckt, und mein geliebtes, deutsches Frühstücksei und gehe bei knallender Sonne zur Musikschule. Der Körper hat sich mittlerweile an die Hitze gewöhnt, erwartet aber irgendwie doch noch eine Temperatursenkung zur Winterzeit. Montags und mittwochs ist mein erster Schüler immer so nett, mir nicht Bescheid zu geben, wenn er mal nicht kommen kann oder will. Dann setze ich mich meistens ans Klavier oder die Trompete und übe ein bisschen. Dann geht es gegen 12 Uhr nach Hause zum Mittagessen.

Anfangs war es immer ziemlich witzig, zu raten, was mich heute denn für eine Überraschung erwartet. Jetzt überrascht es mich absolut nicht mehr wenn ich, bei 35 Grad, eine heißes Süppchen mit ein bis zwei Hühnerfüßen als Vorspeise vorgesetzt bekomme. Dazu kommt dann noch geschätzt ein Kilo Reis und ein Stück Hühnchen. Nach der unglaublich erfrischenden, eiskalten Dusche geht es dann um 15 Uhr wieder zur Musikschule und es wird weiter unterrichtet und geprobt. Nach mehr oder weniger 6 Stunden Unterricht geht es dann bei der lauten Salsa-Musik nach Hause. Danach lasse ich mich, nach meiner Portion Reis und Hühnchen, in mein Bett fallen und versuche bei dem Krach, den die Hunde und der immer noch laufende Fernseher machen, einzuschlafen. Alles in allem fühle ich mich aber sehr gut, da ich mich, dank meines besser werdenden Spanisch, mit meinen Gastbrüdern sehr gut verstehe.

Mittlerweile kommen (fast) alle Schüler pünktlich und regelmäßig, was mir zeigt: sie haben Spaß dabei und wollen was lernen. Das merkt man auch außerhalb des Unterrichts, denn ich sehe auch ab und zu Schüler für sich üben. Das freut mich unglaublich, weil ich den Fortschritt bei den Schülern und Ensembles mittlerweile klar erkennen kann. Wenn ein Schüler dann mal nicht kommt, entstehen öfter mal spontane Unterrichtsstunden, sodass man eigentlich immer etwas zu tun hat.

Doch an Alltag in der Musikschule ist nicht zu denken. Nach der Projektphase sind alle anderen Freiwilligen nach und nach abgeflogen, sodass Birte und ich für kurze Zeit alleine die Stellung im Guasmo gehalten haben. Danach kommt Nachschub an deutschen Freiwilligen mit Almuth und Janna. Dazu kommt kurz darauf Diego, ein Geigenlehrer aus Quito. Vor Kurzem war eine Kolumbianische Band für 3 Wochen da und hat workshopartig Unterricht gegeben. Nach einem kurzem Abschlusskonzert dieses Projektes sind diese dann auch wieder gefahren. Nun ist Franziska, eine Freiwillige aus Linea Zero, zu uns gekommen und unterrichtet bis ca. Februar auch hier. Demnächst kommen 2 französische Freiwillige, Diego verlässt uns dann nächstes Jahr und im Februar kommen wieder neue Freiwillige.

Hier ist also mächtig was los und man kommt sich auch, was die Räumlichkeiten angeht, ab und zu in die Quere. Dazu kommt, dass wir 4 Klavierlehrer sind (demnächst 5) und nur durchschnittlich 2 funktionierende Klaviere (kurzzeitig waren es 3 und mal gibt es nur eins) zur Verfügung haben, was uns dazu veranlasst hat, jetzt endlich das Vorhaben eines Klavierplans, welches wir schon in der Projektphase hatten, in die Tat umzusetzen.

Die Arbeit in den Ensembles macht mir besonders Spaß, da ich selbst sehr viel lerne dabei. Mit dem Bläser-Ensemble probe ich fleißig das Weihnachtsprogramm und Birte und ich kommen bei den Liedern „Gloria“ und „Oh du Fröhliche“ in eine kurzfristige Weihnachtsstimmung, welche dann aber auf dem Heimweg, dank der Hitze und der lauten Salsa-Musik, ganz schnell wieder verfliegt. Das Streicher-Ensemble probt genauso fleißig wie der Rest und wird dann mit der Bläsergruppe zum großen Orchester zusammengelegt. Das Orchester spielt dann das Lied „Gloria“ und wir freuen uns alle schon auf den vollen Klang von Streichern und Bläsern zum Weihnachtskonzert. Ich gebe dafür auch Dirigier-Unterricht, was ich selbst nicht wirklich gut kann. Jedoch lernt mein Schüler sehr schnell und ich bin zuversichtlich, dass er es schafft, das Orchester zu leiten, alleine schon aus dem Grund, dass Orchester für längere Zeit aktiv zu halten. Die Jazz-Band kommt auch recht gut voran und die Mitglieder lernen genauso schnell das Improvisieren von Melodien, wie das Blattspiel.

Jazz-Impro

Jazz-Impro

Da dies immer besser und besser wurde, entschlossen wir uns, regelmäßig Straßenmusik zu machen. So sind wir also an einem Freitag vor einigen Wochen, mit ganzer Percussionausrüstung und den restlichen Instrumenten, mit dem Bus ins Zentrum Guayaquils gefahren, haben uns dort aufgebaut und drauf los gespielt. Anfangs gab es recht wenig Zuschauer, aber nach und nach kamen immer mehr Leute und es wurde mitgesungen und getanzt. Am Ende hielt noch ein Ecuadorianer eine kurze Rede, in der er das Projekt und die Musikschule vorgestellt und somit auch noch gut Werbung für uns gemacht hat.

Strassenmogge in Playas

Strassenmogge in Playas

Das eingespielte Geld (ganze 24 Dollar) ging dann an „Clave de Sur“ (Name der Musikschule). Die Aktion lief so gut, dass wir das Ganze die Woche darauf versucht haben zu wiederholen. Vergeblich. Sobald wir uns aufgebaut hatten, kam eine Frau aus dem Hotel gegenüber und meinte, das wäre Lärmbelästigung (Wir sind in Ecuador und jemand klagt wegen Lärmbelästigung? Sehr Merkwürdig); wir sollen uns abbauen, sonst hole sie die Polizei. Wir zogen also mit den Instrumenten in der Hand weiter, aber jedes Mal wenn wir uns aufgebaut hatten kam die Polizei, Security o.ä. und schickte uns weg, sofern wir keine Erlaubnis hatten. So sind wir also nach ca 2 Stunden Platzsuche nach Hause gefahren, ohne gespielt zu haben. Davon ließen wir uns aber nicht die Laune verderben, denn den Tag darauf fuhren wir nach Playas und wiederholten das Ganze. Diesmal nur mit Schülern, Lehrern beider Projekte und den Kolumbianern. Somit hatten wir ganze 2 Stunden spontanes Konzert auf der Straße und eine ganze Menge mehr Spaß dabei als am Tag vorher.

Zu den Ensembles kommen auch noch 2 Kurse, die die Deutsche Sprache und Musiktheorie vermitteln. Der Deutschunterricht läuft super. Die Schüler scheitern ab und zu an der Aussprache, aber das beheben Birte, Franziska und ich auch noch. Der Theorieunterricht läuft leider nicht so gut und ist somit das einzige Projekt, was nicht so gut klappt. Nach meinem ersten Versuch, Doppeldominanten und Neapolitanische Sextakkorde zu erklären, ist der Kurs recht wenig besucht. Schade.

Deutschunterricht

Deutschunterricht

Was hier, für meinen Geschmack, ein bisschen zu chaotisch abläuft, ist die Konzert- und Auftrittsplanung von ecuadorianischer Seite aus. Von geplanten 6 Auftritten (2 für die Lehrer und 4 für die Schüler) haben tatsächlich gar keine stattgefunden. Das ist sehr schade, da einige Schüler sich richtig freuen, wenn ihnen gesagt wird, sie dürfen auftreten und am Ende passiert dann doch nichts. Immerhin sind die zwei Weihnachtskonzerte und das Lehrerkonzert schon bestätigt und werden auch stattfinden. Ansonsten gibt es hier absolut keine schwerwiegenden Probleme und die anderen Freiwilligen fühlen sich genau so wohl wie ich.

So, das war’s mit meinem kurzen Halbzeitbericht. Schöne Grüße an das kalte Deutschland und eine besinnliche, weiße (Vor-) Weihnachtszeit (Das wird hier bestimmt alles andere als besinnlich).

Robert Falke

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