Zwischen Sonne, 30 Grad im Schatten, Strand und Milchshakes bleiben einem gar nicht allzu viele Möglichkeiten, an Weihnachten zu denken – bis man wieder sein Haus betritt.
Vor ca. einer Woche wurde unser kleines Häuschen komplett umgeräumt und der Plastikweihnachtsbaum aus der alten Tiefkühltruhe herausgekramt. Es blieb leider nicht nur beim Baum, in der Weihnachtsecke stehen auch zwei leuchtende Elche, ein Tisch mit blinkenden Weihnachtslichtern, eine Uhr, die schöne Geräusche macht (den ganzen Tag Vogelgezwitscher und Wasserfallgeplätscher), noch mehr Lichterketten an jeder Ecke und eine Lametta-Girlande rund ums Haus. Nicht zu vergessen der Weihnachtskranz mit den Schmetterlingen über dem Fenster.
Bald ist übrigens Weihnachten Jana, falls du es noch nicht bemerkt hast. Danke!
Dass bald Weihnachten ist, durfte ich letzte Nacht mal wieder hautnah erleben. Um ca. 5:22 Uhr bin ich aufgewacht, weil die Weihnachtsbeleuchtung plötzlich auch noch mit dem Singen angefangen hat. Ich war so müde, bin liegengeblieben, habe probiert weiter zu schlafen und dachte, es wäre bald vorbei. Aber nein, diese Lichterkette hat 40 Lieder eingespeichert, die alle als Medley hintereinander liefen. Das hatte leider auch gar nichts mit besinnlicher Weihnachtsmusik zu tun und da ich natürlich die einzige war, die davon aufgewacht ist, ja die das überhaupt bemerkt hat, hab ich einfach eiskalt den Stecker rausgezogen um in Ruhe meine zwei Stunden weiterzuschlafen.
Es ist wieder einmal ein Monat vergangen (leider habe ich nun auch schon den Tag `Halbzeit´ überstanden) und mittlerweile ist es ziemlich heiß. Das merkt man morgens nicht, und nachts vergisst man bei dem Wind auch ganz schnell wieder, wie warm es eigentlich am Mittag war. Aber zurzeit liege ich in meinem Bettchen und es scheint die grelle Äquatorsonne in mein Haus, wahrscheinlich werde ich gleich wieder ausgelacht, weil ich bei dieser Hitze mittags echt nichts essen kann. Erstrecht keine heiße Suppe und danach Fleisch!
Ich bin jetzt an einem Punkt angekommen, an dem mir das Fleisch echt nicht mehr schmeckt, also habe ich für meine Familie mal Kartoffelpuffer mit Apfelmus gekocht. Mit vegetarisch konnten sie aber auch gar nicht so viel anfangen. „Was gibt es denn zu den Kartoffeln?“ – „Apfel“, „Ich meinte, was für Fleisch zu machst“.
Trotzdem hat es ihnen geschmeckt, obwohl wieder einmal noch Reis dazu gekocht wurde.
Gut, auch wenn das tägliche Essen hier nicht so abwechslungsreich ist, so sind es unsere Tagesabläufe und Aktionen dafür umso mehr! Das Wochenende, das auf meinen letzten Bericht folgte, kamen uns die Leute aus dem Guasmo besuchen, mit einigen Kolumbianern, die zwei Jahre durch Südamerika reisen und in sozialen Projekten arbeiten und zu der Zeit gerade in dem Projekt in Guayaquil mit gearbeitet haben. Wir hatten vor, einen Workshop-Tag zu machen, der abends mit Straßenmusik im Park endete. Leider kam ich etwas zu spät, weil ich verpeilt habe den Reis zu kochen, den ich zum Essen mitbringen sollte, aber als ich ankam, kam mir eine supercoole Atmosphäre entgegen, nämlich kolumbianische Musik. Alle haben getanzt oder irgendwas mitgespielt und waren irgendwie glücklich. Danach wurde gegrillt und wir haben uns in Workshopgruppen aufgeteilt, Jazz, Percussion, Chor, Streicher – alles war dabei und alles wurde dann abends vorgestellt. Das war wieder ’ne coole Aktion, die Kolumbianer haben super Stimmung gemacht und eigentlich wurde die ganze Zeit getanzt und gefeiert.
In der Nacht wurde mein Haus dann ein bisschen multikulturell, da zwei deutsche Freiwillige aus dem Guasmo und zwei Besucher aus Frankreich bei mir geschlafen haben. Das ist relativ witzig, wenn man sich dann unterhält und am Ende so ein Spanisch-Englisch- Deutsch- (und der hoffnungslose Rest der Französischkenntnisse) – Mix dabei herauskommt.
Na gut, die Leute sind dann am Morgen alle abgereist und ich fuhr direkt zum Haus von der lieben Anne, da ihr Gastpapa „Don ChaCha“ vorm Haus ein Superbingo veranstaltet hat (worauf hier natürlich alle super abfahren) und wir zwei Lieder spielen mussten. Da steht man dann immer vor so ca. 20 Leuten, wird von ca. 20 Leuten gefilmt oder aufgenommen und fühlt sich, wie so ein Affe im Zoo.
Genauso wie neulich eine lustige Situation im Centro Intercultural: Ich saß mit zwei anderen Deutschen am Tisch und wir haben Karten gespielt, als sich plötzlich zwei Frauen zu uns gesetzt haben und uns bestimmt 20 Minuten vollgequatscht haben. Die hören dann auch nicht auf, erzählen dann aus ihrem Leben, oder irgendwelche Märchen. Also die Aussagen waren in etwa so: „Ich hab auch eine Tante, die wohnt in Amerika, die kann auch Englisch sprechen“ und unsere Antwort ist „nur weil wir weiß sind, heißt das nicht, dass wir aus Amerika kommen“ – „aber ihr sprecht doch Englisch“- „ja, aber in Deutschland spricht man für gewöhnlich Deutsch“. Dann kommt immer „Kann ich ein Foto mit dir machen?“ – „aber warum denn?“ „Das kommt dann auf Facebook, damit ich einen Gringo als Freund habe.“ – „Nein danke ich bin kein Tier“.
Solche Situationen gab es jetzt schon so oft, da weiß man halt auch, wie man reagieren muss. „Nein, ich habe kein Handy hier in Ecuador“ oder „Nein, ich habe kein Facebook“, „Ja hier ist meine E-Mail-Adresse: Hans.Wurst@email123.de“.
An die Rufe auf der Straße werde ich mich wohl auch nie richtig gewöhnen, aber wenn man Joggen ist & die „Polizei“ in Schrittgeschwindigkeit an einem vorbeifährt und Kussgeräusche macht, dann fühlt man sich eigentlich auch besonders sicher in dem Land!
Einmal habe ich mich getraut den Mittelfinger rauszuholen, das mach ich aber auch erstmal nicht so schnell wieder, die Reaktion war ziemlich beängstigend und da ich nicht einschätzen kann, wie gefährlich das hier alles so ist, muss ich wohl akzeptieren und mich zurückhalten…
Natürlich gibt es auch nette Männer hier auf den Straßen, wie zum Beispiel unseren Fahrradmechaniker René! Wenn mein Fahrrad mal wieder nicht funktioniert, was öfter mal der Fall ist, quatsche ich ein bisschen mit René und er erzählt mir was von seinem Leben, seiner Geschichte und Gott und der Welt.
Eigentlich ist es ja auch ein bisschen was für das Selbstvertrauen wenn man gerade eine kleine Lebensmittelvergiftung überstanden hat und aussieht wie irgendeine blasse, gruselige Leiche und die Männer einem trotzdem hinterher rufen, man sei das Schönste, was sie je gesehen haben.
Unter der Woche passiert hier eigentlich nicht mehr so viel (wenn man sich an die täglichen Überraschungen gewöhnt hat), da wir uns schon immer so bis 8 / halb 9 in der Musikschule befinden. Dann gibt es Deutschunterricht, Bandprobe, oder Besprechungen – oder gemütliches Pan essen an der Bäckerei.
Sonst komme ich auch einfach nach Hause, mach es mir gemütlich, esse (mir wurde jetzt das Salz weggenommen zum Essen!!!!! Die denken ich esse zu viel Salz… kann ich eher weniger verstehen) und warte auf meine Familie, lerne Spanisch oder schreibe halt einen meine Berichte.
Es gibt aber auch, was die Musikschule angeht, ein paar Neuigkeiten. Neben dem Deutschunterricht (der leider nicht mehr so regelmäßig besucht wird), leite ich jetzt mit Celine freitags eine Früherziehungsgruppe für Kinder und es schlagen gefühlt 20 Kinder dauerhaft auf dem Schlagzeug rum, ohne Lust zu haben, jemals etwas anderes zu tun. Das ist immer relativ witzig, leider bin ich nach dieser einen Stunde meistens erstmal heiser und muss ein bisschen Schokolade essen, um mich zu entspannen. 😉
Auuuuußerdem haben wir grade ein ganz tolles Projekt bis zum Weihnachtskonzert am laufen, Matthi und ich haben einen Projektchor eröffnet und singen die Lieder „In dulci jubilo“ & „Los Peces en el rio“. Das ist so schön & das macht so Spaß, ich hoffe die Leute kommen weiterhin regelmäßig, denn das ist – wie man immer wieder deprimierend feststellen muss – nicht unbedingt die Stärke der Eccis.
Mit den coolen neuen Projekten und meinen Schülern, arbeite ich jetzt optimistisch aufs Weihnachtkonzert am 15. Dezember hin und bin super gespannt, wie das wird und auch wie man das mit unserem ersten Konzert vergleichen kann. Einige Schüler haben sich musikalisch echt weiterentwickelt und es werden auch schon Ensembles gebildet.
In letzter Zeit haben wir uns abends öfter mal zusammen gefunden und Fußball gespielt, ein paar mal habe ich mich probiert anzupassen und ohne Schuhe mitgespielt – ja das sieht cool und lässig aus, fühlt sich auf dem Stein/Schotterboden aber eher weniger lässig an. Das ganze nannten wir „Training“ für den Wettbewerb, der am 23. November im Centro Intercultural stattfand und da haben wir mit unserer Musikabteilung auch sehr erfolgreich zwei Trophäen gewonnen, eine Jungsmannschaft, eine Mädchenmannschaft!!
Ich darf allerdings nicht vergessen, das vorherige Wochenende noch mal zu beschreiben. Da haben wir uns nämlich auf den Weg nach Guayaquil gemacht, um die Kolumbianer noch mal zu verabschieden und uns ihr letztes Konzert anzuhören. Das war mal wieder schön, das ist eine Band namens „La Mucura“, die jetzt zwei Jahre lang Erfahrungen in sozialen Projekten sammeln, um danach etwas in der Richtung in Kolumbien zu errichten. Was man hier manchmal für Leute oder Geschichten kennenlernt ist echt Gold wert.
Die letzten Tage wurden wieder mit Musik und Fußball im „Stella-Maris-Park“ im Guasmo genossen („Stella-Maris-Park-wow, das hört sich schön an, ein Park, endlich mal wieder eine Graswiese zum rauflegen“ – nein leider nur Beton, überall, Beton) und am Sonntag war das letzte Konzert von ihnen am Malécon von Guayaquil. Da wird die hässliche, vollgemüllte Stadt plötzlich ganz edel und schön – aber auch nur bis man in das Wasser guckt, welches aus Prinzip schon mal die Farbe Braun hat und wahrscheinlich niemals wieder blau werden wird. Wieder in Playas, haben wir noch die Sonne genossen und am schönen Sonntagabend wieder den wöchentlichen Tatortabend gemacht.
Morgens, wenn wir alle Zeit haben, machen wir relativ viel Musik selber, ich hab das Gefühl, ich übe hier mehr Klavier, als ich es zu Hause gemacht habe. Trotzdem freue ich mich schon wieder auf das Gefühl, wieder das erste Mal auf einem richtigen Klavier zu spielen!
Im Centro Intercultural steht jetzt immer ein Damespiel, da spielen wir immer mit den Kindern Dame, lassen uns leider auch das ein oder andere mal abzocken! Sonst verbringe ich auch viel Zeit mit den Kiddies in unserer Straße hier, das ist immer ziemlich süß wenn ich in die Straße komme und von irgendwo jemand ruft „Janaaaa“, dann steht da oben auf der Holzhütte ein kleines Mädchen und winkt mir zu 🙂
Leider hab ich mittlerweile ein Problem mir die Namen zu merken hier, aber ich kann auch einfach raten, bei den Jungs sind diese Namen sehr wahrscheinlich: Manuel, Jose Luis, Pablo, Andres, Julio, Jonathan. Die Frauen: Maria, Carmen, Dianna, Luisa.
Dann haben alle hier zwei Vornamen und zwei Nachnamen, das ist mir persönlich immer etwas zu kompliziert – gut, dass einige einfach Spitznamen haben. Alles etwas anders als in Deutschland.
Neulich habe ich dann noch mit meiner Schwester ihren Lebenslauf geschrieben, weil sie mal wieder Arbeit sucht. Das war vielleicht nervenaufreibend. Keiner aus der Familie wusste mehr, in welchen Jahren sie auf welcher Schule war und dann wurden erstmal alle unübersichtlichen Unterlagen durchwühlt und nach gefühlten zwei Stunden ist ein relativ geordneter Lebenslauf bei rausgekommen und sie wurde sogar zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen!
Letzte Woche habe ich meine Tante mal mit in die Schule von den Kindern begleitet, um sie abzuholen. Das war echt krass. Da liefen die ganzen Kinder in ihren süßen Schuluniformen rum und überall war es richtig laut. Das Klassenzimmer sah relativ gut und ordentlich aus, abgesehen davon, dass 45 Kinder in diesem Zimmer sitzen und von einer Lehrerin unterrichtet werden… Sonst war ich ziemlich positiv überrascht von der Schule.
Am letzten Wochenende wurden wir auf eine cinciniera eingeladen, oder eher cinciniero, da ein Junge seinen 15. Geburtstag gefeiert hat. 15 Jahre werden hier üblicherweise nur von Mädchen ziemlich groß gefeiert, das ist dann sozusagen der Eintritt in das Leben der Frau (das heißt man darf dann aber bis ca. 25 immer noch nicht mehr als vorher). Leider hatten wir das Gefühl, dass wir auf der Party fast die einzigen Gäste waren, den Gastgeber kannte ich eigentlich auch nicht so recht, Ole ist fast Nachbar von ihnen und sollte uns alle mitbringen. Also kamen wir da an, um 10/ halb 11, waren natürlich die Ersten… und blieben das auch erstmal. So gegen 12 kam dann noch eine Familie und wir wurden die ganze Zeit zum Tanzen aufgefordert (ich durfte dann auch gleich den Eröffnungstanz mit dem Gastgeber machen). Um halb 2 gab es dann eeeeendlich Essen und danach haben wir uns nach und nach langsam unauffällig aus dem Staub gemacht. Das war schon wieder so ’ne typische Ecci-Aktion!
Ja, ansonsten ist alles super, heute ist Nikolaus, das kennen die hier genauso wenig wie Advent und meine Schuhe brauch ich gar nicht probieren zu putzten. Sobald ich einmal auf die Staubstraße hier gehe, sind die eh wieder dreckig und es würde Ruten hageln.
Außerdem bin ich gerade mal wieder ein bisschen krank und habe eine Grippe. Das ist gar nicht so praktisch, da ja bald das Konzert ist – also muss ich jeden Abend so einen ekelhaften Zuckerrohrschnaps gurgeln, das soll gut sein für meinen Hals.
Für mich geht es jetzt aber erstmal wieder in die Musikschule.
Allen eine schöne Adventszeit!
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