
3 Wochen hier in Playas – und ein kleines Update, was meine ersten Eindrücke angeht. Et voilá:
In meiner Familie geht es mir immer noch sehr gut. Ich fühle mich super wohl und freue mich jedes Mal, nach Hause zu kommen und alle zu sehen. Bisher war ich jeden Sonntagabend, nachdem ich den Tag über meistens mit den anderen am Strand war, im Haus von meinen Gastomi und -opi zum Abendessen und habe da ein bisschen die ecuadorianische Familiensituation ausgecheckt. Gecheckt habe ich allerdings nicht viel, ich weiß nur, dass meine Gastmama vier Geschwister hat und diese jeweils nochmal viele Kinder haben, die dort im Haus wohnen oder sich zumindest immer dort aufhalten, wenn ich da bin und naja, das Haus ist groß und voll und Lea ist verwirrt. So könnte man das wohl ausdrücken. Bald gibt es eine Fiesta in Santa Elena, ein Überraschungsfest, um den Geburtstag meines Gastopas zu feiern und da wird noch mehr Familie zusammenkommen. Ich kann vorher schon garantieren, dass ich nicht blicken werde, wer zu wem gehört. Aber da alle sehr nett sind und es die ganze Familie immer (in einem liebevollen Sinne) recht witzig findet, dass ich nicht alles verstehe, ist das schon okay. Hier in Ecuador muss man ja bekanntlich einige Sachen einfach akzeptieren und nicht immer alles hinterfragen.
Aber es ist erstaunlich, wie schnell man sich an eine neue Wohnsituation und an neue Menschen gewöhnt. Ich kann das Haus, in dem wir wohnen, wirklich mein Zuhause nennen und mir kommt es so vor, als wäre ich schon viel länger als drei Wochen hier.
Was das Essen angeht, habe ich mich jetzt más o menos an die großen Mengen gewöhnt. Ich würd sagen, besser zu viel Essen als zu wenig. Und dass es immer Reis mit Fleisch gibt oder manchmal auch Fleisch mit Reis oder Reis mit Reis, stört mich mittlerweile nicht mehr so sehr. Reis ist eigentlich echt lecker und was das Fleisch betrifft, naja, ich werde in Ecuador wohl so viel Fleisch essen, dass dadurch die eigentlich insgesamt von mir vorgesehene Fleischmenge meines Lebens abgedeckt sein sollte. Meinen Fleischkonsum werde ich in Deutschland sicherlich wieder einstellen. Übrigens meine ich, wenn ich davon rede, dass es viel Fleisch gibt, nicht nur Rind-, Schweine – oder Hühnchenfleisch, sondern auch Fisch, der ist nämlich auch oft dabei. Aber der Fisch und ich haben uns längst angefreundet, der Fisch ist richtig lecker! Der darf bleiben, auch in Deutschland!
Zu einem richtig schönen deutschen Gericht oder einer Mahlzeit, die, für ecuadorianische Köpfe undenkbar, nur aus Gemüse besteht, würde ich aber trotzdem nicht nein sagen. Ich glaube, ich gehe bald einkaufen und koche! Dann gibt es zur Abwechslung mal nicht Reis oder Fleisch.
Die Lärm-Situation hat sich auch nicht verändert. Es ist weiterhin laut, aber ich versuche, den Lärm auszublenden. Der gehört jetzt irgendwie hierhin. Und dass ich spät ins Bett gehe und trotzdem super früh aufwache, ist wohl nicht nur die Schuld des Lärms, sondern auch die meines Körpers. Jahrelanges Training, das mir ermöglicht hat, aus dem berüchtigten Lebens-Dreieck mit den Ecken „genug Schlaf“, „soziale Kontakte“ und „Erfolg in der Schule/Uni/Arbeit“, bei dem stellvertretend für das Leben nur zwei Ecken erfolgreich kombiniert werden können, definitiv die Ecke „Schlaf“ zu streichen. ?
Obwohl meine Fähigkeit, wenig Schlaf zu brauchen, hier wirklich ein bisschen provoziert wird. Das schlägt hoffentlich nicht bald zurück, ich will nicht krank werden! Aber naja ich seh’s mal so, je weniger Schlaf, desto mehr Zeit, die ich hier aktiv verbringe. Und selbst wenn ich in dieser „aktiven“ Zeit, die ich dann wach im Bett verbringe (ja, super aktiv, Lea), nur die LKW-Motoren, den Bus, dessen Haltestelle vor unserem Haus ist, Hundebellen, Hupen oder den berüchtigten Müllsong höre. Um 6 Uhr morgens. Ja, hier wacht man von einem Müllsong auf. Warum fährt die Müllabfuhr mit einem lauten Lied morgens um 6 durch die Stadt? Frag nicht. Ecuador halt.
Meine Einstellung zum Hupen hat sich übrigens verändert! Jetzt, wo ich selbst mit meinem Fahrrad auf der Straße unterwegs bin (leider ist es nicht üblich, auf dem Bürgersteig zu fahren, wodurch sich meine Überlebenschancen wahrscheinlich um 50% verringern), will ich auch eine Hupe! Das ist voll unfair, wenn nur die anderen Fahrzeuge eine haben, ich hab ja noch nicht mal eine Klingel, schluchzt. Außerdem macht es bestimmt ziemlich Spaß zu hupen! Aber wie oft und selbstverständlich hier gehupt wird, fasziniert und nervt mich immer noch jeden Tag. Und ihr, ihr könnt das blöde Wort „Hupen“ bestimmt nicht mehr hören.. Ich werd versuchen, jetzt nicht mehr vom Hupen zu sprechen, versprochen!
Die Frau von Fernando, dem Musiklehrer im CIC (dazu erzähle ich bald mehr), fragte mich neulich, als wir bei ihnen zum Essen eingeladen waren, ob ich auch gut beim Fahrrad fahren aufpasse. Jana übersetzte mir, dass sie sagte, dass ich niemals gegen den Strom, also entgegengesetzt zur Fahrtrichtung fahren solle. Aaaach was, echt? Danke für den Tipp, da wäre ich vorher ja nie drauf gekommen. Aber nein, keine Sorge „Frau-von-Fernando“. Ich bin doch nicht irre. Hier ist es schon gefährlich genug, auf der richtigen Straßenseite zu fahren.
Und was gibt’s sonst so zu erzählen? Mein Spanisch wird ganz langsam besser, jeden Tag lerne ich neue Wörter. Es macht wirklich Spaß, eine neue Sprache zu lernen und zu sprechen. Ich kann mittlerweile auch ganz gut Unterhaltungen führen, klar, ich mache sehr viele Fehler und mir fallen immer noch viiiel zu viele Wörter nicht ein, aber ich finde fast immer einen Weg, um mich dann irgendwie doch auszudrücken. Und ich bin sehr motiviert, so schnell wie möglich mehr zu lernen, denn es nervt mich unglaublich, wenn ich in einem interessanten Gespräch mal wieder sagen muss, „ahhh me faltan las palabras!“.
Zum Unterrichten schreibe ich hier nichts, dazu will ich einen eigenen Eintrag schreiben. Sehr bald, versprochen! Ich kann aber sagen, dass wir fleißig unterrichten!
Und immer wieder mal Zeit finden, um zum Strand zu gehen oder etwas zusammen zu unternehmen. Neulich waren wir zum Beispiel vormittags bei Helen eingeladen, einer älteren Schülerin von Ola Sinfónica (der Musikschule) und haben sie in ihrem Haus am Strand besucht.
Leider konnten nur Jana, Anne, Lenka und ich, weil die anderen Unterricht hatten, aber sie lädt uns irgendwann bestimmt nochmal ein, wenn alle können. Das Haus liegt wirklich direkt am Meer – die Wellen kommen bis zu dem äußeren, aus großen Steinen aufgebauten Wall, der das Ende der Terrasse darstellt – einfach eine traumhafte Lage. Und als wir vier in Hängematten auf der großen Terrasse lagen, weit und breit keine Menschenseele oder Autos in Sicht, den Blick aufs Meer gerichtet, das Rauschen der Wellen in den Ohren, die Haare im Wind wehend und eine Wassermelone in der Hand, da dachte ich, hui, hier lässt es sich aber verdammt gut leben. Daran könnte ich mich gewöhnen.
Wir MoGs haben auch schon ein paar Mal ne Jam-Session gemacht. Im CIC stehen ja immer so viele Instrumente rum, da schnappt man sich mal eben eins, wenn der Schüler mal wieder zu spät kommt oder gar nicht kommt, und setzt sich auf die Bühne, um etwas zusammen zu spielen. Ich habe auch öfter meine Ukulele mit, neulich am Strand zum Beispiel, und mithilfe eines alten, hohl klingenden Baumstammes, der sich als hervorragendes Schlaginstrument herausstellte, ließen sich außerordentlich coole Klänge produzieren. Jana und Justus, ich sag nur „Gaaaaaabi!“ ?.
Ich finde es einfach immer wieder wunderbar, wie schnell die Musik verbindet und wie viel Spaß es macht, einfach so drauf los zu musizieren. Und keine Frage, wir sind ne mega coole Truppe! Ich bin froh, dass die anderen hier sind und wir das nächste Jahr gemeinsam rocken.
Neulich war ich abends übrigens zum ersten Mal mit den MoGs und anderen Südamerikanern tanzen! Das war vielleicht ein Spaß, ob Salsa, Reggaeton oder sonst was, die Eccis können sich echt bewegen, puh! Ich hoffe mal, dass nicht nur mein Herz, Kopf und Magen ecuadorianische Züge annehmen, sondern auch meine Hüften. Aber ich hab ja noch ein bisschen Zeit. Und es war ein echt cooler Abend, den wir bald wiederholen wollen.
Heute sind Alex, meine Gastmama und ich in die zwei-Stunden-entfernte Stadt Santa Elena gefahren, um Einladungen für die geplante Geburtstsgsfeier zu verteilen. Wir haben uns die blaue Camioneta von meinem Gastopa geliehen und sind früh morgens losgefahren.
In Santa Elena und später auch in La Libertad, einem anderen Städtchen in der Nähe, haben wir die unzähligen Tanten, Onkels, Cousinen und Cousins (und die dazugehörigen Kinder/Hunde/Katzen/Hühner) meiner Gastmama besucht, haben Küsschen verteilt, Einladungen überreicht, Saft entgegengenommen, Neuigkeiten ausgetauscht und erklärt, wer ich bin („mi hija adoptiva“ bzw. „mi hermana de Alemania!“). Und mir ist mal wieder sehr bewusst geworden, dass wir hier in Ecuador sind.
Hier tankt man für zwei Dollar, sitzt zu dritt vorne in einer Camioneta, fährt zu viert auf einem Motorrad. Hier wird der Sicherheitsgurt mit gutem Gewissen nur provisorisch über den Schoß gelegt, allerdings nirgendwo befestigt (ganz ehrlich Alex, dann kannst du’s auch lassen ?), nur für den Fall, dass Polizeikontrollen kommen. Hier fährt man an unzähligen Zucker-, Mais- und Bananenplantagen vorbei, an am Straßenrand chillenden Eseln, an halbfertigen Häusern, die wie verlassen in der trockenen Landschaft stehen, an Polizeiautos, die einen von der Straße winken und Fahrzeug- und Führerscheinkontrollen durchführen (ja, wir wurden auch kontrolliert, aber zum Glück war alles bestens, und ich habe außerdem gehört, dass man sonst ein Scheinchen zückt und die Sache schneller geregelt ist als gedacht). Hier begegnet man zunächst keinem anderen Auto auf der Landstraße, das komplette Gegenteil von den Städten, um dann plötzlich von einem Reisebus überholt zu werden, der einem laut hupend (ahh sorry, schon wieder was vom Hupen…dieses Wort verfolgt mich einfach) den Weg abschneidet, oder um selbst einen LKW zu überholen, dessen Räder im Fahrtwind schlackern. Hier fährt man mit weit geöffneten Fenstern durch die Landschaft, der Wind pfeift durch das klappernde Auto und zwischendurch fliegt einem ein Staubkörnchen ins Auge, aber bevor man es entfernt hat, ist schon das nächste drin. Hier prägt trockenes Gewächs und gelbe Erde die verlassene Landschaft, hier stehen weiße Wolken am Himmel, die mittags aufreißen und die Temperatur in einem Mal auf gefühlte 30 Grad steigen lassen, obwohl es doch morgens noch so kühl war.
Hier ist einfach alles so anders als in Deutschland und doch habe ich das Gefühl, dass ich dieses Land schon viel länger kenne als nur 3 Wochen. 21 Tage. 504 Stunden. Das Gefühl, dass mich zwar auch viele Sachen stören oder ich manches nicht nachvollziehen kann, aber dass ich das Land und die Menschen schon jetzt sehr in mein Herz geschlossen habe. Die mittlerweile nicht mehr fremde Kultur, die einfache und herzliche Lebensart, die Lebensfreude. Und das absolutes Highlight meines Tages war es, als ich auf der Schürze eines Cousins meiner Gastmama das Wort „Fleischmann“ entdeckte. Das ist hier anscheinend der Name einer Marke, die irgendwas mit Pan, also Brot, zu tun hat, aber Markenname hin oder ein, ein deutsches Wort! In einer kleinen Panaderia in einer Nebenstraße eines Küstenstädtchens im kleinen Ecuador. Wenn das mal nicht ein gelungener Kultur- bzw. Sprachaustausch ist hahah!! Me gusta mucho!
So viel des Guten, Schluss für heute, genug von diesen sentimentalen Gefühlen. Wie man sieht, haben sich einige Eindrücke gefestigt, andere auch verändert, weitere sind dazugekommen.
Und ui, ist das spannend – in einem Monat haben sich meine Eindrücke und meine Wahrnehmung bestimmter Dinge wahrscheinlich schon wieder verändert. A ver…
Entonces, hasta pronto, und bis dahin, denkt dran – viva la música! Und in jedem Fall, viva la vida!
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Lea
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